TSCHECHISCHE MALEREI

Wenn man im Ausland die Menschen über die tschechische Kultur befragt, dann hört man eher Namen wie Dvorák, Janácek oder Martinu, aber wer hat schon Kubista, Filla oder Bílek je gehört? So gesehen, erscheint die tschechische Kunst heute, aus der Sicht der obligatorischen Toleranz der zeitgemäßen Schulkunstdidaktik dem Standardisiertem gegenüber, als ein höchst ungeeigneter Gegentand für den Kunstunterricht in Deutschland. Da finden wir also nicht die Namen, die uns die Ehrfurcht, oder mindestens grenzenlose Bewunderung einflößen können. Für eine neugierige, entdeckungsbegierige  Kunsterziehung sind jedoch solche Randbereiche wucherndes Feld, dass die Einsicht in die Pluralität, Ubiquität und Kontingenz des ästhetischen Denkens bietet.
Schon 1988 hat die Ausstellung der tschechischen Avantgarde auf der Mathildenhöhe gezeigt, dass die Ursache der geringen Bekanntheit nicht die fehlende künstlerische Qualität ist. Die politische Entwicklung nach 1945 führte dazu, dass die rigiden ästhetischen und künstlerischen Normen viele begabte, bis dahin mit großer Annerkennung bedachte Maler in Vergessenheit befordert haben. Heute ist es zu spät an den festgefrorenen Strukturen der Kunstgeschichtsschreibung rütteln zu wollen. Zum Anfang des 20. Jahrhunderts, nach der Gründung der Republik, wandten sich die jungen Künstler von den älteren, nationalistisch orientierten Vereinigungen ab, (deren Betätigungsfeld sich hauptsächlich auf die historisierenden ikonografischen Bereiche beschränkte) und widmeten sich mehr den aktuellen psychologischen, ästhetischen, philosophischen und esoterischen Fragestellungen. Auf den ersten Blick erscheint hier der Mystizismus als ein Charakteristikum der tschechischen Malerei. Die gleichen Tendenzen haben sich jedoch gleichermaßen am (heute mehr durch die praxisorientierte Konzeption bekannten) Bauhaus durchgesetzt, vorwiegend durch die pädagogische Tätigkeit von Johannes Itten.

 

   

Was auf jeden Fall evident ist, ist ein anderer Umgang mit der Farbqualität eines Bildes, vor allem, wenn man hier einen Vergleich mit dem deutschen Expressionismus oder dem französischen Fauvismus anstellt. Die Farbklänge weisen häufig einen tiefen melancholischen Zug auf. Auch die Form nimmt eigenständige Züge an und statt nach primitiven Kulturen in der Ferne zu suchen, finden die tschechischen Künstler diese neue Antriebskraft im Volkstümlichen, in der eigenen Geschichte.  Die Ikonografie der tschechischen Avantgarde besinnt sich zwar auch ihrer Ursprungswurzeln, heftet jedoch ihr Blick auf die Gegenwart, die Technisierung und die Umstrukturierung der sozialen Beziehungen.  (O.Z.)